Koptischer Priester in Außernzell

  • Geschrieben von Reinhold Baier
  • 17 Okt

„Es gibt bei uns keinen Religionskrieg oder Militärputsch. Wir erleben eine friedliche Revolution“, behauptet Priester Abuna Matta Shafik Ayoub aus Oberägypten, der im Rahmen der Missio-Aktion in der Diözese Passau zu Gast ist. Das Bild wurde nach dem Frühschoppen im Gasthaus Würzinger aufgenommen (v.l.): Carmelo Ramirez, Abuna Matta, Dolmetscherin Anna Winter (Missio München) und Pfarrer Josef Göppinger.

Pfarrer aus Aegypten

Es handelt sich um keinen Religionskrieg, wie von den Medien verbreitet wird. 80 Prozent der Muslime sind moderat. Sie sind sehr friedliche Bürger und dankbare Bauern. Es handelt sich bei uns in Ägypten um eine friedliche Revolution. Wir sind in einem langen Tunnel und noch nicht am Ende des Tunnels angelangt. Vordringlichste Aufgabe ist es, die Korruption zu bekämpfen, damit das Volk in Freiheit und Gerechtigkeit leben kann.“ Mit diesem Plädoyer hinterließ Priester Abuna Matta Shafik Ayoub bei seiner Zuhörerschaft im Gasthaus „Zum Würzinger“ einen nachhaltigen Eindruck.

Abuna Matta gehört der koptisch-katholischen Kirche Ägyptens an und leitet in der Diözese Assiut (Oberägypten) ein Entwicklungsbüro, das durch seine sozial-pastoralen Programme Vorbildcharakter hat. Im Rahmen der diesjährigen Missio-Aktion weilte der engagierte Kirchenmann („natürlich lebe ich in meiner Heimat gefährlich“) für einige Wochen in der Diözese Passau. Er feierte mit Pfarrer Josef Göppinger und der Pfarrgemeinde Außernzell am vergangenen Sonntag in der Pfarrkirche „Mariä Himmelfahrt“ das Erntedankfest und berichtete anschließend im Gasthaus Würzinger über die schwierige Situation in seinem Heimatland - vor allem aus der Sicht der koptischen Christen. Begleitet wurde der Gast aus Ägypten, der die australische Staatsbürgerschaft besitzt, von Carmelo Ramirez (Referat Weltkirche in der Diözese Passau) und Dolmetscherin Anna Winter von Missio München.

Über das „Land im Umbruch“ bekamen die Zuhörer einen Missio-Film zu sehen. 30 Jahre lang hat Husni Mubarak das Land am Nil autokratisch regiert. Im Februar 2011 trat der Machthaber nach einem 18-tägigen Druck von der Straße zurück. Auf der Suche nach einer demokratischen Staatsform, die dem Volk Freiheit und Gerechtigkeit bringen sollte, wurden Macht und Geld neu verteilt – auf Kosten der Mehrheit der Bevölkerung.

Im Juni 2012 wurde bei den ersten freien Präsidentschaftswahlen der Vorsitzende der von der islamistischen Muslimbruderschaft gegründeten Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, Mohammed Mursi, zum neuen Präsidenten gewählt. Für die Minderheit der Christen bedeutete der Wahlsieg der Muslimbruderschaft zunächst ein Ende der Hoffnung auf einen säkulär geprägten Staat mit mehr Freiheiten.

Abuna Matta gab Einblicke in die Gesellschaft Ägyptens, die den Lesern westlicher Medien kaum oder wenig bekannt sind. So sei die Bevölkerung innerhalb von 60 Jahren von 20 (1952) auf 82 Millionen angestiegen. Zum Dienst für drei Jahre verpflichtete Polizisten müssten mit 12 Euro Monatslohn auskommen. 12 Millionen Stimmen habe Mohammed Mursi bei seiner Wahl bekommen, „die kaum demokratisch gelaufen ist und von Korruption bestimmt war.“ Der neue Präsident habe 20 000 junge politische Aktivisten ins Gefängnis gebracht – „ohne jegliche Gerichtsverhandlung.“

Der Geistliche schwärmte von der Idee eines jungen Mannes, der bis zum Stichtag, 30. Juni, 22 Millionen Unterschriften gesammelt und daraufhin 33 Millionen Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gegangen sein sollen. Präsident Mursi wurde mit Hilfe des Militärs am 3. Juli 2013 gestürzt. Als neuer Interimspräsident wurde Verfassungsgerichtschef Adli Mansur vereidigt.

Abuna Matta erzählte eine weitere „unglaubliche Geschichte“: Im bekannten Ferienort Luxor sind 1995 mehrere Touristen ums Leben gekommen. „Mursi hat einen der Täter von damals als Regierender in Luxor eingesetzt“, sagte der Priester. Am 15./16. August seien zahlreiche Kirchen, Schulen und Kindergärten von Christen niedergebrannt worden. Dennoch werde man weiterhin für Freiheit und Gerechtigkeit auf die Straße gehen und wenn es sein muss, mit den Muslimen gemeinsam in den Moscheen beten, „denn wir haben keinen Religionskrieg in Ägypten. Die Mehrheit sind sehr friedliche Bürger. Rund 20 Prozent sind extrem fanatisch. Wir haben eine friedliche Revolution“, behauptet Abuna Matta.

Die meisten Zuhörer gingen mit einem „neuen Ägyptenbild“ nach Hause.